Bei herrlichem Sommerwetter gaben DI Mag. Karoline Knabl, Christian Nösig und Hans Haid am 23. Juli dem Freundeskreis Tiroler Volkskunstmuseum in Ötz und in Längenfeld Einblick in die Geschichte des Tales, seine Lebenskultur und den gesellschaftlichen Wandel.
Der Obmann des Turmmuseumsvereins Christian Nösig führte durch den historischen Ortskern von Ötz – einem lebendigen Museum. Viele historische Gebäude des eng gebauten Haufendorfes haben die Zeiten überdauert und führen heute noch das Wohnen und Leben anno dazumal vor Augen. Bleibt zu hoffen, dass diese wertvolle historische Bausubstanz trotz Bauboom und Weiterentwicklung des Tourismus architektonisch unverfälscht erhalten wird. Beginnend beim Haus Tscholl und dem Georgsbrunnen führte der Obmann des Turmmuseumsvereins, Christian Nösig, am Posthotel Kassl vorbei zum alten Gemeindehaus und dem Gasthof Stern mit den einzigartigen Fassadenmalereien. Vermutlich geht dieser Bau auf das 13. Jhdt. zurück, damals im Besitz des adeligen Damenstift der Benediktinerinnen in Frauenwörth/Chiemsee.Ein sicherer Hinweis ist die Inschrift 1573 am Hause selbst.
Der Weg zum Turmmuseum führte unter der spätgotischen, barock erweiterten Pfarrkirche zum Hl. Georg und Hl. Nikolaus und der Steinguss-Plastik "Geduld" aus den Allegorien der Tugendenvon Matthias Bernhard Braun vorbei. Der Wohnturm, um 1350 von der Adelsfamilie Überrheiner erbaut, diente dem Kloster Frauenchiemsee über Jahrhunderte als Verwaltungssitz ihrer Güter im Ötztal. Nach Jahrzehnten vielfältiger Nutzung durch die Gemeinde Ötz wurde das Gebäude gründlich renoviert, 2004 als Museum eröffnet und kurz darauf mit dem Tiroler Museumspreis ausgezeichnet.
Der Obmann des Heimatvereins Ötztal, Hans Haid, gibt seinen Gästen einen Einblick in die Geschichte des Tales
Das Turmmuseum ist eng verknüpft mit der Biografie und Sammlung des Ötzer Kunstliebhabers und Kunstsammlers Hans Jäger. Er begeisterte sich lebenslang für Möbel, Skulpturen und insbesondere für Gemälde und Bilder.
Beeindruckend „begrüßt“ ein großes Bild vom „saligen Fräulein“ (Karl Mediz, 1905) in der romanischen Eingangshalle die Besucher. Verschiedene Kunstgegenstände erinnern an die Präsenz des Stiftes Frauenchiemsee im Ötztal, z.B. die Büste der Hl. Irmengard aus dem 17. Jhdt., Patronin des Klosters Frauenchiemsee.
Nach dem gemütlichen Mittagessen im geschichtsträchtigen Gasthof Kassl ging es weiter zum Heimat- und Freilichtmuseum nach Längenfeld/Lehn, wo wir von Hans Haid, Obmann des Ötztaler Heimatvereins, erwartet und fachkundig geführt wurden.
Das Ensemble rund um das Heimatmuseum im Längenfelder Ortsteil Lehn stellt eine einzigartige Dokumentation der Ötztaler Kultur- und Alltagsgeschichte dar. Das Museumsareal vermittelt mit seinen historischen Gebäuden - integriert inmitten ganzjährig bewohnter Einfamilienhäuser – auf besondere Weise die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte mit der historischen bäuerlichen Kultur des Tales. Als Ende der 1960er die Jahrhunderte alten Häuser nicht mehr dem Wohnstandard entsprachen, wurden erste Gebäude vom Ötztaler Heimatverein erworben und zum Museum umgestaltet. Sie vermitteln einerseits das einfache bäuerliche Alltagsleben, andererseits ausgeklügelte Arbeitsprozesse. Hans Haid und Christian Holzknecht haben für uns das längst Vergangene anschaulich und „begreifbar“ zum Leben erweckt, z.B. die Wollproduktion, die Milchverarbeitung, den Getreideanbau mit Mühle und dem Brotbacken, den Flachsanbau mit der Herstellung von Leinen, dem wichtigsten Zuerwerb vieler Ötztaler Bauernfamilien bis ins 19. Jahrhundert. Aufgrund der damaligen schlechten Ertragslage der Tiroler Bauern beschäftigte sich der Ötztaler Jesuitenpater Adolf Trientl (1817 – 1897) mit Düngemethoden in der Landwirtschaft und durchwanderte ab 1871 er als erster Landwirtschaftslehrer Tirol.
Die Ötztaler Museen sind identitätsstiftende Orte, an denen kulturelles Erbe gesammelt, bewahrt, erforscht und beeindruckend präsentiert und vermittelt wird.
Herlinde Keuschnigg